von Pfarrer Dirk Faulbaum, alt-katholische Gemeinde St. Willebrord, zum CSD-Gottesdienst München, 13. Juli 2019
// Fünfzig Jahre ist es her, dass in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, Menschen in der New Yorker Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street wieder einmal Opfer einer polizeilichen Razzia geworden sind. Aber erstmals in der Geschichte der Queers, der Schrägen, der Schwuchteln, der Hinterlader und Hinterladerinnen wurde diese Zumutung, diese öffentliche Erpressung und öffentliche Bloßstellung, zurück gewiesen.
Und wir als schwule, lesbische, trans* und intersexuelle Christinnen und Christen in dieser Stadt aus den unterschiedlichen Kirchen und Gruppen wollen heute daran erinnern und auch das bereits erreichte feiern, wenn es auch noch viel zu tun gibt, das weiß jeder und jede von uns. Gerade in unseren Kirchen, wo es noch viele kalte Herzen gibt.
Auch die Geschichte unserer Befreiung in den Kirchen hat vor 50 Jahren begonnen, wenn auch erst sehr zaghaft, manchmal heimlich, aber dann doch auch lautstark und nachhaltig.
Die Bibel, auf die wir alle uns verpflichtet fühlen, ist voll von Geschichten der Befreiung. Das beginnt mit dem Durchzug des Volkes Israel durch das Rote Meer, der Befreiung von der ägyptischen Sklaverei. Da ist die Geschichte von der Befreiung aus dem babylonischen Exil. Da sind die Geschichten von Jesus, der Menschen wieder zum Leben befreit, in dem er sie wieder auf die Füße gestellt hat und sie wieder ihren Weg in der Gesellschaft gehen können.
Als ich anfing, mich darauf einzustellen, dass es in diesem Jahr mich treffen könnte, die Predigt an diesem CSD zu halten, viel mir der Abschnitt aus dem Galaterbrief ein: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit“.
Ich lese Euch die Verse aus dem 5. Kapitel des Gal vor:
Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!
Zur Freiheit hat euch Christus befreit. Freiheit zum Leben. Freiheit, das Leben wieder zu leben und zu erleben, dass mein Leben, so wie es ist, gewollt ist. Ich bin gewollt, so wie ich bin.
Menschen erleben, dass sie wieder Luft zum atmen bekommen, weil ihnen die Kette vom Hals gesprengt worden ist.
Menschen erleben, dass sie wieder handlungsfähig werden, weil ihnen die Ketten von den Händen gesprengt worden sind.
Menschen erleben, dass sie wieder gehen können, dass ihre Lähmung wieder aufgehoben ist, weil ihnen die Ketten von den Füßen aufgesprengt worden sind.
Menschen bekommen wieder Mut zum Leben.
Und das ist es, was wir uns an diesem Tag heute gegenseitig immer wieder zusagen wollen:
Lebt als befreite Menschen.
Lasst euch nicht wieder unterjochen.
Gebt nicht klein bei, wenn es wieder, und auch in unseren Kirchen, Rückschritte zu geben scheint.
Seid sichtbar und duckt euch nicht.
Und wenn man euch einreden will, dass es nicht Gottes Wille sei, so wie ihr lebt, dann steht fest und lasst euch nicht beirren.
Ich selber, liebe Geschwister, habe diese Freiheit erlebt und lebe aus ihr. Dieser Jesus aus Nazareth ist auf die Menschen zu gegangen und hat sie an der Hand gefasst und hat sie zum Leben befreit. Er hat ihnen ermöglicht, wieder ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, wieder am Leben teilzunehmen. Was er allerdings von den Befreiten abverlangt hat, war Vertrauen.
Das ist es, was Paulus mit dem „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ meint. Befreiung schenkt Gelassenheit.
Ich möchte schließen mit dem Briefschluss des Paulus an die Galater:
In Zukunft soll mir niemand mehr solche Schwierigkeiten bereiten. Denn ich trage die Leidenszeichen Jesu an meinem Leib.
Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit eurem Geist, meine Brüder und Schwestern! Amen.