// CSD-Gottesdienst am 22. Juni 2024 in St. Paul zur Bergpredigt nach Mt 5,1–12 //
Was für eine Eröffnung: die vielen Menschen, weshalb er auf den Berg steigt. Er setzt sich, auf den Lehrstuhl, so ist es wohl zu verstehen, seine Jünger, seine Schüler treten hinzu. Er begann zu reden und lehrte sie. Wie in Zeitlupe wird jeder Moment erfasst. Und dann folgt das erste Wort wie ein Donnerschlag. Es lautet: glückselig.
Darum wird es in Jesu Verkündigung gehen, um die Glückseligkeit der Menschen. Keine Knechtschaft, keine Unterordnung, sondern ihre Glückseligkeit. Keine Bevorzugung eines Geschlechts oder einer Orientierung, einer Nation oder einer Hautfarbe, sondern ihre Glückseligkeit. Glückselig, die wissen, dass sie vor Gott arm sind, so wird es hier übersetzt. Das heißt doch, glückselig sind, die wissen, dass sie Gott brauchen, so wie ich zu meinem Partner sage: ich brauche dich, ohne dich ist mein Leben soviel ärmer. Mit dir fühle ich mich reich beschenkt und glücklich. Wenn wir so arm sind vor Gott, sind wir glückselig.
Gleich an zweiter Stelle stehen die Trauernden. Nicht die Traurigen, sondern die Trauernden. Ist das nicht das gleiche? Nicht ganz. Nicht das Traurig sein wird seliggepriesen, sondern das Trauern, das aktive Tun, das Trauern um einen lieben Menschen, der weggegangen ist, das Trauern um die vergebenen Chancen, die mein Leben hätten reich werden lassen, das Trauern um die Verletzung, die mir zugefügt wurde. Dieses aktive Tun des Trauerns wird seliggepriesen, denn durch das Trauern geschieht Heilung.
Glückselig, die barmherzig sind, die ein reines Herz haben, die Frieden stiften. Nur zu gerne wollen wir glauben, dass das stimmt, dass es diese Menschen sind, die die Erde als Erbe erhalten, Gott sehen und Kinder Gottes heißen. Nicht die Gewalttätigen, sondern die Frieden stiften. Und um ein Beispiel zu geben, haben wir den Abschnitt aus der Josefsgeschichte gehört (siehe Gen 50,15–21).
Es geht um die Aussöhnung der Brüder. Sie haben sich an Josef versündigt, haben ihn gequält und verkauft. Sie selbst geraten in Not und sind auf seine Hilfe angewiesen. Welche Ironie: die sich an ihm versündigen, werden von ihm abhängig. Diese großartige Erzählung macht deutlich, wie Vergebung gelingen kann: indem Menschen erkennen, dass sie aufeinander angewiesen sind. So gelingt es: die Brüder sind nicht zu stolz, Josef um Vergebung zu bitten und er ist nicht zu stolz, ihnen zu vergeben.
Beeindruckend an der Geschichte ist v.a., dass sie schildert, wie schwer es allen Beteiligten fällt zu vergeben und um Vergebung zu bitten. Denn es ist verdammt schwer. Wir Menschen sehnen uns so sehr nach dem, was uns allzu schwerfällt. Glückselig zu werden, ist harte Arbeit.
Es ist möglich. Die Josefsgeschichte und die Seligpreisungen machen deutlich: Es ist möglich, dass Versöhnung gelingt. Es ist möglich, dass Frieden unter den Menschen wächst. Es ist möglich, barmherzig zu sein.
Ja, es ist schwer für Jüdinnen und Palästinenser, für Russen und Ukrainerinnen, für AFD-Anhänger und Migrantinnen. Und es ist schwer für Queers und Fundamentalisten, die den Namen Gottes für Homophobie missbrauchen.
Ja, es ist tatsächlich eine große Herausforderung. Sie kann gelingen. Und vielleicht können queere Menschen ja einen besonderen Beitrag leisten. Denn es ist unsere Erfahrung, dass sich unsere Mehrheitsgesellschaft geöffnet hat; dass sich der Einsatz für Toleranz und Akzeptanz lohnt; dass das selbstbewusste Auftreten in Gesellschaft und Kirche Erfolg hat.
Es ist Erfolgsmodell. Vielleicht können wir die Seligpreisungen weiterschreiben: glückselig seid ihr, wenn ihr euch daran freut, wie ihr von Gott geschaffen seid. Glückselig seid ihr, wenn ihr die Vielfalt im bunten Garten Eden wertschätzen könnt. Glückselig seid ihr, wenn ihr Vielfalt als Bereicherung erkennt.
Dann ist es vielleicht auch möglich, die schwerste Seligpreisung zu erfüllen: Glückselig seid ihr, wenn sie euch beschimpfen, verfolgen und verleumden, weil ihr zu mir gehört.
Lassen wir uns als queere Christ:innen nicht unterkriegen, treten wir selbstbewusst auf, denn wir haben eine Botschaft des Friedens für alle, die große Einladung Gottes für alle Menschen, ihr haben wir uns verschrieben, sie soll uns leiten am heutigen CSD und an alle Tage unseres Lebens.